Hattingen und die Schulentwicklung – Teil 1/3

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Die Schulentwicklung in Hattingen erregt aktuell in erheblichem Maße die Gemüter – dabei ist leider auch viel Hörensagen im Umlauf. Um hier Klarheit zu schaffen, haben wir eine dreiteilige Artikelreihe zu den Schulen aufgelegt, die Infos liefern und zur Verständlichkeit der Vorkommnisse beitragen soll.

Teil 1 – die Entwicklung der Hattinger Schullandschaft

Kaum ein Thema wird in Hattingen so emotional diskutiert wie die Veränderung unserer Schullandschaft. Gefährliche Halb- und Unwahrheiten wie „Unsere Schule wird geschlossen, um Flüchtlinge dort unterzubringen“ machen die Runde. Veränderungen provozieren immer auch Ängste – doch mit puren Behauptungen und Spekulationen kommt man nicht weiter.

An dieser Stelle möchten wir, die SPD Hattingen, anhand von Fakten erklären, wie und warum wir welche Entscheidungen getroffen haben. Anschließend können Sie selber urteilen, ob Sie unsere Entscheidungen nachvollziehen können. Für Neugierige haben wir auch hier den entsprechenden überparteilichen Entwurf zur Jugendhilfe- und Schulentwicklungsplanung.

Schulen in Hattingen – die Ausgangslage

Seit Jahren gehen in Hattingen die Schülerzahlen zurück. Allein in den letzten 10 Jahren haben wir über 1400 Schülerinnen und Schüler in allen Schulformen verloren und das nicht deshalb, weil die Kinder und Jugendlichen abgehauen sind, nein, es gibt sie nicht mehr, weil die Zahl der Geburten auch in unserer Stadt so drastisch gefallen ist.

Nun mögen manche folgende Rechnung anstellen: „Weniger Schüler = kleinere Klassen = bessere Lernbedingungen für die Schüler“
So einfach ist es aber leider nicht. Denn die Klassengröße bestimmt nicht die Stadt Hattingen, sondern das Land Nordrhein-Westfalen, und zwar per Gesetz. Hier kommt der sogenannte Klassenrichtwert ins Spiel.

Dieser liegt in Grundschulen bei 23 Schülerinnen und Schülern, in der Sekundarstufe I sogar bei 28. Oder, um noch deutlicher zu werden, unsere Stadt bezahlt als Schulträger die Schulgebäude und deren Unterhalt samt Hausmeister und Sekretärinnen, das Land zahlt die Lehrerinnen und Lehrer und weist diese entsprechend den Klassenrichtwerten den Schulen zu. Die Stadt hat darauf keinen Einfluss. Leider hat sich bis jetzt auch noch keine Landesregierung dazu durchringen können, den Klassenrichtwert deutlich zu senken.

Leere Räume mit unterschiedlichen Folgen

Für Hattingen bedeutet dies nach dieser Logik folgendes: nicht die Zahl der Schulgebäude ist gesunken, sondern die Zahl der leer stehenden Klassenräume ist gestiegen.
Das hat unterschiedliche Konsequenzen – in den Grundschulen konnten die meisten frei werdenden Räume für den offenen Ganztag genutzt werden, hier ist eine Anschlussverwendung vorhanden.

Wie sieht es aber in den weiterführenden Schulen aus?
Werfen wir einen Blick auf die einzelnen Schulformen: die beiden Gymnasien haben in den letzten Jahren zusammen ca. 200 Schülerinnen und Schüler verloren, die Gesamtschule etwa 100. Beides lässt sich erklären: Die Gymnasien haben die Umstellung von G9 auf G8 hinter sich (200 Schüler entsprechen tatsächlich ziemlich genau einem Jahrgang) und die Gesamtschule wurde in ihrer Zügigkeit verändert („Zug“ ist der Fachbegriff für eine Klasse, eine Schule mit 5 Klassen in einem Jahrgang wird als 5-zügig bezeichnet). Diese Veränderung, 5- statt 6-zügig in der SI, dafür 5- statt 4-zügig in der SII bedeutet in der Summe ca. 100 Schüler weniger.

Anders sieht es bei den Realschulen aus: beide Hattinger Schulen haben in den letzten 10 Jahren über 400 Schülerinnen und Schüler verloren. Dies führte dann zum Auflösungsbeschluss für die Marie-Curie-Realschule. Noch schlimmer hat es die Hauptschule getroffen – hatte die letzte Hauptschule Hattingens vor 10 Jahren noch 220 Schüler, so wurde sie 2013 mangels Anmeldungen aufgelöst.

Gesamtschule und Gymnasium im Trend

In den letzten Jahren konnte auch folgende Entwicklung beobachtet werden: während die Anmeldezahlen für den Jahrgang 5 für die beiden Gymnasien konstant bei ca. 210 Schülern lagen, sind diese in der Gesamtschule kontinuierlich gestiegen (von 120 auf 140), in der Realschule langsam gefallen (zuletzt auf unter 100). Dieser Trend wurde auch in diesem Jahr durch das Anmeldeverhalten der Eltern bestätigt, für den kommenden Jahrgang 5 des Schuljahres 2016/17 wurden am Schulzentrum Holthausen 116, am Gymnasium Waldstraße 91, an der Gesamtschule 169 und an der Realschule Grünstraße 83 Schülerinnen und Schüler angemeldet.

Diese Zahlen sagen nicht notwendigerweise etwas über die Qualität einer Schule aus, es sind einfach nur die blanken Anmeldezahlen. Diese liegen in Hattingen im Landestrend – Schulen des längeren gemeinsamen Lernens werden attraktiver, die Gymnasien bleiben es, „Verlierer“ sind auf lange Sicht die Haupt- und Realschulen. Das mag man bedauern oder nicht. Wir Hattinger Sozialdemokraten machen keinen Hehl daraus, dass wir Schulen des längeren gemeinsamen Lernens favorisieren.

Wir meinen aber auch, das zuerst der Elternwille zu zählen hat – so lange es genügend Anmeldungen für eine Realschule gibt, muss die Schulform an sich auch erhalten bleiben. Es muss aber auch möglich sein, dass unsere Gesamtschule keine Schüler abweisen muss, was aktuell – aufgrund starker Nachfrage – leider der Fall ist.

Wie geht es weiter?

Ein Blick auf die Geburtenraten in unserer Stadt sowie das Gutachten von „Biregio“ lassen darauf schließen, dass die Schülerzahlen auf mittlere Sicht nicht sinken werden.
Ein Dilemma aber bleibt – die meisten weiterführenden Schulen stecken in Gebäuden, die entweder zu groß oder zu klein und meistens ziemlich alt sind.
Hier muss es zu Veränderungen kommen, diese werden zwangsläufig Geld kosten.

In der nächsten Folge dieser Reihe wird es um die Finanzsituation der Stadt Hattingen gehen.