Hattingen und die Schulentwicklung – Teil 2/3

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Im zweiten Teil unserer Artikelreihe zur Hattinger Schulentwicklung wollen wir ein Auge auf die finanzielle Situation unserer Stadt werfen – diese ist aus mehreren Gründen nicht gut, ein großer Teil davon liegt aber außerhalb des städtischen Einflussbereiches.

Teil 2 – Hattingen und die Schulden

Die erste Folge endete mit der Feststellung, dass es im Schulbereich zu Änderungen kommen muss, aber diese Änderungen natürlich Geld kosten. Wie sieht es aber mit der finanziellen Situation Hattingens aus?

Um sofort die Antwort zu geben: es sieht nicht gut aus, das ist allgemein bekannt. Alleine die so genannten Kassenkredite, also das von Banken geliehene Geld, belaufen sich auf über 70 Mio. Euro – gerade Kommunen in NRW haben mit dieser Form von Schulden besonders stark zu kämpfen. Hattingen ist, so sagt der Fachmann, „bilanziell überschuldet“.

Das bedeutet, dass den Schulden nicht genügend Besitztümer und Werte gegenüberstehen, um diese zu decken. Deshalb bescheinigt die Gemeindeprüfungsanstalt (GPA) der Stadt Hattingen in ihrer „überörtlichen Prüfung 2015“, sie sei „nur in der Lage, die notwendigsten Investitionen sowie Unterhaltungs- und Instandhaltungsmaßnahmen bei den Straßen und auch bei den Gebäuden durchzuführen“. Ein Unternehmen hätte in dieser Situation längst Insolvenz angemeldet. Insgesamt hat Hattingen über 100 Mio. Euro Schulden.

Struktureller Wandel und weitere Ausgaben

Es ist einfach, den Verantwortlichen in Politik und Verwaltung der Stadt Hattingen vorzuwerfen, sie hätten schlecht gewirtschaftet. Vielleicht ist das an der einen oder anderen Stelle richtig. Es gibt aber auch genügend Gründe für die finanzielle Misere, die nicht im Verantwortungsbereich unserer Stadt liegen:

  • In den letzten 30 Jahren sind Tausende von Arbeitsplätzen verloren gegangen, die auch durch die beste Wirtschaftspolitik und Ansiedlung von neuen Firmen nicht ausgeglichen werden konnten. Das prominenteste Beispiel ist natürlich die Henrichshütte, es gibt aber auch weitere größere Unternehmen, z.B. Möninghoff, die ebenfalls aus Hattingen verschwunden sind. Auch in unseren Nachbarstädten sind viele industrielle Arbeitsplätze „abgebaut“ worden, was auch Hattingerinnen und Hattinger getroffen hat. Dadurch kam es zu dauerhaften Steuerausfällen in erheblichem Maße.
  • Durch den Wegfall der Arbeitsplätze stieg gleichzeitig die Zahl der Sozialleistungsempfänger. Auf eine Arbeitslosenquote von 14%, wie in den 90er Jahren, kann sich keine Stadt vorbereiten.
  • Die Kosten der Jugendhilfe sind in den letzten 15 Jahren geradezu explodiert. Allein für die Haushaltsstelle „Hilfen zur Erziehung“ wurden für das Jahr 2016 im Haushalt fast 10 Mio. Euro veranschlagt.
  • Seit der Einführung des Solidarfonds „Aufbau Ost“ – kurz „Soli“ genannt, hat Hattingen ganze 54 Mio. Euro in diesen Fonds eingezahlt – wohlgemerkt nicht die Bürger, sondern unsere Stadt! Dies geschieht auch nicht aus einer Laune heraus, hierzu ist die Stadt Hattingen gesetzlich verpflichtet. Dabei ist auch nicht entscheidend, ob Hattingen dafür überhaupt die finanziellen Mittel hat.
  • Es kommen immer wieder Aufgaben, und damit Ausgaben, auf die Stadt Hattingen zu, die sich kaum vorhersehen lassen. Die Unterbringung von Flüchtlingen ist dafür aktuell sicherlich das prominenteste Beispiel.
    An dieser Stelle sollen auch keineswegs die Kosten für die Aufnahme, Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen gegen Schulkosten aufgerechnet werden, es ist aber leider so, dass unsere Kommune, und damit wir, auf einem Teil der Kosten sitzen bleiben, weil die Zuwendungen von Land und Bund pro Flüchtling schlicht nicht ausreichend sind.
    Übrigens: Der Zustrom an Flüchtlingen, den wir 2015 zu bewältigen hatten, ist übrigens nicht der Erste. In den 90er Jahren hatten wir aufgrund des Balkankriegs mehr Flüchtlinge als heute in unserer Stadt – und auch das haben wir gemeinsam geschafft!

Der Versuch, Ausgaben zu reduzieren…..

Nun, was tut die Stadt Hattingen, um aus dieser Misere herauszukommen? Auch wenn man es nicht sofort sieht, aber es wurde schon einiges unternommen:

Hattingen ist seit einigen Jahren Teil des „Stärkungspakts NRW“. Das bedeutet, es gibt jährliche Zuwendungen vom Land NRW. Das ist auch gut und nötig – nicht gut ist allerdings, dass diese Zuwendungen nicht ausreichen, um das jährliche Defizit im Haushalt auszugleichen. Außerdem ist dieser Pakt (logischerweise) mit Verpflichtungen verbunden -so muss der Haushalt unserer Stadt jährlich von der Bezirksregierung in Arnsberg genehmigt werden. Außerdem musste Hattingen weitere Sparmaßnahmen zusagen und umsetzen:

  • Es müssen 100 sogenannte „vollzeitverrechnete Stellen“ abgebaut werden. (wieder so ein technischer Begriff: es werden so viele Stellen abgebaut, dass dies 100 vollen Stellen entspricht). Dies hat Hattingen geschafft, allerdings mussten an einigen Positionen, z.B. In der Jugendhilfe (siehe oben), neue Arbeitsplätze geschaffen werden, so dass die 100 noch nicht ganz erreicht ist.
  • Hattingen hat sich verpflichtet, große Teile seines Immobilienbestands aufzugeben und zu verkaufen. Dazu gehören auch unsere Schulen – hier hat sich unsere Kommune verpflichtet, 12000 m² Schulfläche aufzugeben.
  • Viele so genannte freiwillige Leistungen der Stadt, z. B. Kulturförderung oder Mittel für die Jugendförderung, wurden deutlich gekürzt.
  • Die Stadt hat sich verpflichtet, ihre Finanzen von der schon erwähnten Gemeindeprüfungsanstalt, oder kurz GPA, regelmäßig überprüfen zu lassen.

Am schwersten wiegt aber die Verpflichtung der Stadt Hattingen, im Jahr 2016 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Auf Grund der schon beschriebenen Verpflichtungen der Stadt ist das ein ausgesprochen schwieriges Unterfangen.

…..und Einnahmen zu erhöhen.

Dies führte dann im letzten Jahr zu dem politischen Beschluss, neben starken Kürzungen im Ausgabenbereich auch den Einnahmenbereich deutlich zu verbessern. Hier hat die Stadt nur zwei Ansatzpunkte: die Gewerbe– und die Grundsteuer.

Eine politische Mehrheit aus CDU, FDP und Grünen setzte für den Haushalt 2016 die Anhebung der Grundsteuer B auf 875 und für 2017 auf 950  Hebesatzpunkte fest. Der Antrag der SPD, die Grundsteuer B „nur“ auf 850 Hebesatzpunkte zu erhöhen und dies durch eine Erhöhung der Gewerbesteuer auf 550 Punkte gegenzufinanzieren, fand keine Mehrheit.

All diese Maßnahmen spüren wir als Hattinger deutlich – bei der Nebenkostenabrechnung der Mietwohnung, beim Gebührenbescheid des Eigenheims, oder dann, wenn man auf die Bearbeitung eines Antrags wartet. Aber diese Entscheidungen sind nicht zum Spaß getroffen worden, sondern sie sind der prekären finanziellen Lage unserer Stadt geschuldet.

Und was macht das nun für die Hattinger Schulen aus?

Für die Schulentwicklung bedeutet dies einen herben Spagat – auf der einen Seite der Wunsch und die Notwendigkeit, die Schülerinnen und Schüler hier bestmöglich mit Bildung zu versorgen. Auf der anderen Seite besteht aber die Verpflichtung zu einem ausgeglichenen Haushalt und der Kampf darum, sich auch als Kommune noch ein wenig Gestaltungsspielraum zu bewahren.

Welche Konsequenzen wir Sozialdemokraten daraus ziehen, erfahren Sie im dritten und letzten Teil unserer Artikelreihe.