„Mehr Lohn, mehr Freizeit, mehr Sicherheit“

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Zum Tag der Arbeit am 01. Mai 2024 hat Mathias Hillbrandt – in seiner Rolle als Vorsitzender des DGB Ennepe-Ruhr – einen Gastbeitrag für uns verfasst. In diesem füllt er das Motto der diesjährigen Mai-Kundgebungen mit viel Leben.

Starke Tarifverträge als zentraler Faktor

Liebe Genossinnen und Genossen,

unser Motto zum 1. Mai heißt: „Mehr Lohn, mehr Freizeit, mehr Sicherheit“. Alle drei Ziele erreichen wir mit starken Tarifverträgen. Im letzten Jahr gab es viele gute Tarifabschlüsse.

Unser Erfolg heißt dabei auch Solidarität. Weil wir uns nicht spalten lassen. Dass wir gemeinsam für unsere Interessen eintreten, zeigt Wirkung. Wir Gewerkschaften erfahren dadurch großen Zuspruch in der Gesellschaft. In diesem Jahr feiern wir 75 Jahre Grundgesetz und 75 Jahre Tarifvertragsgesetz. Seit 1949 wurden knapp eine halbe Million Tarifverträge abgeschlossen.

Tarifverträge sind das Mittel der Wahl, wenn es um gerechte Bedingungen in der Arbeitswelt geht. Tarifverträge fördern Gleichbehandlung und Gerechtigkeit – zwischen Frauen und Männern, zwischen Ost und West, zwischen Menschen mit und ohne Migrationsgeschichte. Mit Tarifvertrag gibt es mehr von allem: im Schnitt 12 Prozent mehr Lohn; dazu mehr Urlaubs- und Weihnachtsgeld.

Auch bei Überstunden, Kurzarbeitergeld, bei der betrieblichen Altersvorsorge und vielem mehr gibt es mit Tarifvertrag bessere Regelungen. Beschäftigte mit Tarifvertrag arbeiten im Schnitt eine Stunde weniger pro Woche als Beschäftigte ohne. Das hört sich vielleicht erst einmal nicht nach viel an, aber bezogen auf ein ganzes Erwerbsleben macht das ganz schön was aus: Zusammengerechnet reden wir da über 1 Jahr und 2 Monate weniger Arbeitszeit.

Und natürlich greifen wir Gewerkschaften bei Tarifrunden zum Mittel des Arbeitskampfes, wenn uns die Arbeitgeber nicht entgegenkommen wollen. Das ist nicht nur unser gutes Recht. So passiert es im Handel: Die Profite der Arbeitgeber steigen und steigen, während 5 Millionen Beschäftigte mit niedrigen Löhnen abgespeist werden. Das ist pure Provokation und absolut respektlos! Die ver.di-Kolleg*innen antworten seit Monaten mit Streiks und Aktionen! Sie geben nicht auf – richtig so, denn: „Ohne Euch kein Geschäft“.

Wir wollen mehr Sicherheit durch einen aktiven Staat

Wir brauchen dringend mehr Verlässlichkeit beim Strompreis. Es kann nicht sein, dass die Energiepreise unsere Löhne wieder auffressen. Auch für die Industrie und für soziale Einrichtungen muss der Strom bezahlbar bleiben. Dafür brauchen wir unbedingt eine Reform des Strom- und Energiemarktes und einen viel schnelleren Ausbau der Erneuerbaren. Das passiert aber nicht von selbst. Gerade im Energiebereich brauchen wir einen starken Staat: Für bezahlbare Preise für alle – statt Übergewinne für wenige.

Nicht nur die Wirtschaft braucht Investitionen. Alle Bürgerinnen und Bürger haben einen Anspruch auf gute öffentliche Angebote. Eine marode öffentliche Infrastruktur, chronisch verspätete Züge, fehlende ÖPNV-Verbindungen, das Wegbrechen von kulturellen oder sportlichen Angeboten in unseren Gemeinden – das nehmen wir nicht länger hin! Investitionen in Kitas, Schulen, Universitäten, Krankenhäuser und Pflegeheime, Sportplätze und Jugendzentren – das alles sind Zukunftsinvestitionen. Und wir brauchen sie jetzt.

Wir wollen mehr Sicherheit durch Bildung

Wir verstehen unter guter Bildung nicht nur Kita, Schule, Ausbildung und Hochschule. Wir brauchen auch mehr Weiterbildung und Qualifizierung für die Beschäftigten – insbesondere im aktuellen Strukturwandel.

Nicht alle Beschäftigten profitieren von Weiterbildung. Frauen, Menschen in Teilzeit, Menschen mit Migrationshintergrund und Menschen ohne Berufsabschluss sind seltener in Weiterbildungskursen zu finden. Wir brauchen deshalb ein Recht auf Weiterbildung für alle Beschäftigten. Ein Schritt dorthin sind deutliche Verbesserungen der finanziellen Förderung mit einer Reform des Aufstiegs-Bafög.

Das Bildungssystem selbst leidet auch unter Fachkräftemangel. Geschlossene Kitas und Unterrichtsausfall in der Schule kommen Euch sicher auch bekannt vor. Die Arbeit wird auf zu wenige Beschäftigte verteilt und die Belastungen wachsen. Ein modernes Bildungssystem sieht anders aus!

Wir wollen mehr soziale Sicherheit

Und wenn die Bundesregierung in der aktuellen Haushaltskrise jetzt nur noch Politik nach Kassenlage betreibt, dann erweist sie damit der Demokratie einen Bärendienst.

Was wir politisch brauchen, ist mehr Sicherheit in der Zeitenwende – und zwar nicht nur bei der inneren und äußeren Sicherheit, sondern auch bei der sozialen Sicherheit. Das Eine darf nicht gegen das Andere ausgespielt werden.

Wir erleben aber genau das Gegenteil: Da wird auf Druck des Finanzministers und der FDP jede Reform der Schuldenbremse blockiert und am Fetisch der Schwarzen Null festgehalten. Statt ausreichend öffentliche Investitionen in die Transformation der Wirtschaft, die Infrastruktur und die Daseinsvorsorge vorzunehmen, wird auf die rigide Kürzung öffentlicher Ausgaben gesetzt. Sichere Zukunftsperspektiven und Vertrauen in die Demokratie schafft man so nicht!

Deshalb sagen wir: Die Schuldenbremse muss endlich grundlegend reformiert werden. Sonst wirkt sie weiterhin als Investitionsbremse und wird zunehmend zur Belastung für die Stabilität unserer Demokratie und den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Wir wollen Sicherheit durch eine große Gemeinschaft

Vielfalt ist unsere Zukunft in Deutschland und Europa: Wir stehen auf gegen Menschenfeindlichkeit, Rassismus, Hass und Hetze der extremen Rechten.

Die Gewerkschaftsbewegung ist gelebte Vielfalt. Unabhängig von Alter, sozialer oder nationaler Herkunft, geschlechtlicher Identität, sexueller Orientierung, Religion, Weltanschauung oder körperlich geistiger Fähigkeiten: Mitbestimmung und Tarifvertrag gelten gleichermaßen für alle.

Für uns ist Vielfalt nicht nur ein politischer Anspruch und eine Haltungsfrage: Vielfalt heißt Freiheit. Vielfalt heißt, dass jeder so leben kann, wie sie oder er es möchte. Vielfalt heißt, dass wir Entwicklungschancen, Perspektiven und Pfade haben, die vielfältig sind und wo man sich selbst erfinden kann. Vielfalt ist also nicht nur eine Frage von Diversität im Sinne von Fachkräften und ökonomischer Verwertung. Vielfalt ist die Grundlage für eine Gesellschaft, in der Freiheit und Demokratie gleichberechtigt nebeneinanderstehen.

Mehr Lohn, mehr Freizeit, mehr Sicherheit: Das sind die Grundlagen für ein gutes Leben, gerade auch in Zeiten der Krise und des Umbruchs. Dafür kämpfen wir Gewerkschaften. Dafür brauchen wir eine starke Demokratie, die sich auf flächendeckende Tarifverträge und eine starke Mitbestimmung stützen kann.