Videoübertragung – Rathaus Hattingen bleibt (noch) offline

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Die Kamera bleibt noch aus – nachdem die Stadt Hattingen ein Rechtsgutachten zu dem entsprechenden Antrag eingeholt hat, lautete die Empfehlung, „zunächst von einer Übertragung der Ratssitzungen im Internet abzusehen“. Das Gutachten wurde zur Kenntnis genommen – die Empfehlung aber gekippt.

Zur Geschichte des Antrags

Was bisher geschah – die Fraktion Linke-Piraten brachte für die Ratssitzung am 26.11.2015 einen Antrag in den Rat ein, der darauf abzielte, zukünftig die Ratssitzungen von der Firma Ruhrkanalnews übertragen zu lassen. Wir als SPD Hattingen haben diesen Antrag unterstützt – jedoch wurde er abgelehnt. Das Abstimmungsergebnis lautete 22 Ja-Stimmen zu 22 Nein-Stimmen bei einer Enthaltung. Bei Stimmengleichheit gilt ein Antrag als abgelehnt.

Die Fraktion Linke-Piraten beanstandete allerdings das Abstimmungsergebnis. Man äußerte Zweifel daran, ob richtig ausgezählt worden sei. Als Konsequenz daraus kam der Antrag am 17.03.2016 erneut auf die Tagesordnung der Stadtverordnetenversammlung – und tatsächlich verlief die Abstimmung hier nochmal anders.

Mit 24 zu 18 Stimmen stellte man fest, dass der Beschluss der vorherigen Sitzung in der Niederschrift nicht richtig wiedergegeben worden sei. Gleichzeitig fand sich in dieser Sitzung dann auch eine Mehrheit von 24 zu 20 Stimmen für die Videoübertragung. Wir stimmten erneut für, CDU und FDP erneut gegen diesen Antrag. Herr Gratzel (FDP) bestand darüber hinaus noch auf einer rechtlichen Prüfung des gesamten Vorhabens.

Gutachter äußert datenschutzrechtliche Bedenken

Zur Sitzung am 30.06.2016 nun ist besagtes Gutachten da.  Es bescheinigt den Sitzungen, dass diese durch die „Saalöffentlichkeit“ bereits hinreichend öffentlich seien, ein „grundsätzliches Recht auf eine allgemeine „Medienöffentlichkeit“ “ bestehe hingegen nicht. Darüber hinaus müssten alle Ratsmitglieder einer Übertragung zustimmen – bei nicht erfolgtem Widerspruch könne im Umkehrschluss „nicht automatisch eine Einwilligung unterstellt werden“.

Die Aufzeichnung und Veröffentlichung von Ton- und Bildaufnahmen sei somit nur zulässig, wenn die „ausdrückliche datenschutzrechtliche Einwilligung aller sichtbaren Personen“ vorliege – was auch Gäste, Bürger mit entsprechenden Anfragen und Verwaltungsangestellte umfasse. Auch dürfe der Zuschauerraum nicht ohne die Einwilligung aller dort gezeigt werden, wenngleich dieser Bereich bei dem entsprechenden Antrag nie ein Thema war.

Stadt Hattingen: Kosten von „mindestens 5.500 Euro pro Übertragung“

In die Entscheidung bindet die Stadt in ihrer Sitzungsvorlage allerdings neben dem Gutachten auch die Kostenkomponente ein. Eine Übertragung in TV-Qualität, wie sie „den Sehgewohnheiten der Bürgerinnen und Bürger“ entspräche und aus dem Bundes- oder Landtag bekannt sei, benötige viel technischen und personellen Einsatz. Es wird auf (leider nicht namentlich genannte) Kommunen verwiesen, deren Vorbild zeige, dass dann mit Kosten von mindestens 5.500 Euro pro Sitzung zu rechnen sei.

Kostengünstigere Varianten aus Wuppertal, Bottrop oder Essen würden mit wenigen statischen Kameras ohne wesentliche redaktionelle Nachbearbeitung umgesetzt und seien daher von „geringer redaktioneller Qualität“. Wie man zu der Qualität der Sitzungsvideos steht, können Sie für sich selbst gerne am Beispiel der Essener Aufzeichnungen testen. Auch hierbei beliefen sich die Kosten noch auf 1.000 – 1.500 Euro pro Sitzung.

Die ursprüngliche Idee des Antrages, die Übertragung durch Ruhrkanalnews, hält die Verwaltung schlicht für nicht realisierbar. Aufgrund des Abstimmungsverhältnisses zu dem Antrag sei davon auszugehen, dass einige Abgeordnete der Aufzeichnung widersprechen würden und dadurch eine Diskussion „nur sehr lückenhaft und unvollständig abgebildet“ werden könne.

FDP und CDU warnen vor „Hetze“ im Netz

Erwartungsgemäß gingen CDU und FDP auch Hand in Hand in dieser Frage – innerhalb der Stadtverordnetenversammlung merkte Herr Bartrina (FDP) an, es habe doch jeder in Hattingen die Chance, die Sitzung auf der Tribüne zu verfolgen. Er warnte eindringlich davor, dass im Internet gegen einzelne Politiker mit unpopulären Ansichten gehetzt oder diese gar tätlich angegriffen werden könnten – etwa dann „wenn der Herr Nörenberg nach der Sitzung Richtung Auto geht“.

Besagter Herr Nörenberg (CDU) bemängelte besonders, dass Diskussionen im Internet auf einzelne Aussagen verknappt würden – hier hakte unser Fraktionsvorsitzender Achim Paas dann ein und merkte an, dass das ja eben ein wesentlicher Punkt sei!

Paas: Mit Videos kann sich „jeder ein Bild machen“

Hetzerischen Aussagen und solchen Verknappungen könnte eben durch solche Videoaufzeichnungen gut entgegengewirkt werden. „Wie einzelne Fraktionen argumentieren, können Sie sich dann im O-Ton anhören.“, so Paas. So verschaffe sich jeder ein eigenes Bild – damit sei „Transparenz, Wahrheit und Klarheit“ gegeben und keiner auf Spekulationen angewiesen.

„Was die Leute draußen denken, können Sie aktuell auf Facebook nachlesen.“. Mit diesen Worten verwies Paas dann als Seitenhieb noch auf eine Diskussionsrunde auf Facebook, welche sich just in dem Moment auf die aktuelle Debatte im Hattinger Ratssaal bezog und wenig schmeichelhaft für CDU und FDP verlief.

Welcher Satz soll raus? Die FDP will es wissen!

Die Ausführungen zur probeweisen Übertragung der Stadtverordnetenversammlung werden zur Kenntnis genommen. Von einer Übertragung im Internet wird bis auf Weiteres Abstand genommen.“ – so lautete der Beschlussentwurf der Stadtverwaltung Hattingen für den besagten Antrag, und um diese beiden Sätze sollte im Anschluss gefochten werden.

  • Herr Hartmann (Linke-Piraten) bat um die Streichung des zweiten Satzes. Damit wären einfach das Gutachten und die Ausführungen zur Kenntnis genommen worden, ohne eine abschließende Entscheidung zu den Videoübertragungen zu fällen.
  • Auf der anderen Seite forderte Herr Gratzel die Streichung des ersten Satzes – faktisch also einen K.O.-Schlag für die Videoübertragungen im Hattinger Rat.

Kenntnisnahme, aber kein Knockout für die Übertragung

Bei der Abstimmung wurde dann beschlossen, den zweiten Satz des Beschlussentwurfs zu streichen. Das Stimmbild war hierbei absehbar – CDU und FDP stemmten sich gegen die Streichung dieses Satzes, wurden aber mit 28:15 Stimmen überstimmt.

Hiermit bleibt die Videoübertragung im Rennen.

Herr Gratzel jedoch machte aus seinem Unmut über diese Entscheidung keinen Hehl und fuhr schwere Geschütze auf. Sollte eine wie auch immer geartete Aufzeichnung für eine der kommenden Sitzungen angestrebt werden, machte er kategorisch klar, dass die FDP diesen Sitzungen gegebenenfalls fernbleiben werde.

Fazit:

Nach der heutigen Sitzung bleibt immer noch zu klären, wie sich die Übertragung von Ratssitzungen in Hattingen ausgestalten lässt. Mit dem Gutachten liegt eine weitere Einschätzung vor, der man natürlich Rechnung tragen muss. Aber für uns als SPD-Fraktion ist es eben eine Frage nach dem „Wie?“ – für andere Fraktionen im Hattinger Rat ist es leider eher die Frage nach dem „Ob?“.