Wahlanalyse mit Prof. Dr. Rainer Bovermann

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Eine Wahlniederlage zu verarbeiten ist immer schmerzlich – Statistik macht die Sache in der Regel nicht besser. Unser Landtagsabgeordneter Prof. Dr. Rainer Bovermann verband auf unserer letzten Stadtverbandssitzung beides miteinander. Er hielt einen Vortrag, in dem er die Ergebnisse unserer SPD über mehrere Jahrzehnte hinweg betrachtete und die letzten Wahlergebnisse somit in einen größeren Kontext untersuchte.

Vortrag zur Lage der SPD – im Ruhrgebiet, im Land und im Bund

Vorwort: Für die umfassende Analyse, aus der wir in diesem Artikel einige Punkte ansprechen möchten, wurden langfristige Daten herangezogen. Diese erstrecken sich von den Landtagswahlen des Jahres 1947 bis heute. Es wurden Aggregatdaten verwendet, also gesamtheitliche Daten, keine separaten Ergebnisse aus der Befragung von Personen.

Für den Beginn seiner Präsentation skizziert Bovermann vier wesentliche Phasen der SPD im Ruhrgebiet:

  • Sozialdemokratisierung: Die SPD musste erst einmal im Ruhrgebiet Fuß fassen, sich bekannt machen und bewähren. Erste positive Ergebnisse stellen sich in der Phase bis 1965 ein.
  • Blütezeit: Besonders auch später unter Johannes Rau ist die SPD im Ruhrgebiet eine Macht. Satte Mehrheiten kann sie in den Städten einfahren, besonders dort, wo die Arbeiterschaft stark ist. Diese Phase erstreckt sich bis 1985.
  • Demobilisierung: Mit dem einsetzenden Strukturwandel macht sich im Zeitraum bis zum Jahr 2000 eine schleichende Demobilisierung im Ruhrgebiet breit. Die immer weiter schrumpfende Wahlbeteiligung kriegt besonders die SPD zu spüren.
  • Krise: Von dort an bis heute attestiert Bovermann eine Phase der „Krise“: Weniger Zutrauen in die Partei und die sinkende Wahlbeteiligung bei der Kernwählerschaft führen zu immer schlechteren Ergebnissen. 2017 sieht Bovermann den „Sockel“ der Kernwählerschaft erreicht.

Wahlergebnisse der SPD: Die föderalen Ebenen im Vergleich

Bovermann sieht auch in diesen Daten einen klaren Hinweis auf ein strukturelles Problem unserer alten Dame SPD. Es sei, gerade im Ruhrgebiet, Vertrauen verloren gegangen – auch schon „lange vor Schröder“. Alleine an Kandidaten oder einzelnen Themen könne man die gesamte Problematik nicht festmachen, so Bovermann.

Im direkten Vergleich der Daten der unterschiedlichen föderalen Ebenen sieht man laut Bovermann einen Stimmenverlust, der auf Landesebene und im kommunalen Bereich annähernd gleichförmig verläuft. Heftiger ist er dagegen auf der Bundesebene ausgeprägt. Dort hat die SPD im Grunde nun ebenfalls den Sockel ihrer Wählerschaft erreicht.

Die Landtagswahl in NRW: SPD auf niedrigem Niveau

Auch für die Wahlkreise bei der Landtagswahl 2017 in NRW zeigen sich entsprechende Ergebnisse:

  • Starke Wahlkreise verlieren praktisch durchweg Stimmanteile.
  • Schwache Wahlkreise bleiben auf dem bisherigen niedrigen Niveau stabil.

Exemplarisch schlüsselt Bovermann das „Ruhrgebiet-Großstadt-Problem“ der SPD am Beispiel der Stadt Essen auf. Hier sind aus ehemaligen SPD-Hochburgen in den Ortsteilen vielfach nur noch Bürgchen übrig. Weiterhin finden sich im ehemals starken Norden nun hohe AfD-Stimmanteile, nachdem dort zuletzt nur der Anteil an Nichtwählern anstieg. Im Süden Essens wiederum konnte die SPD der CDU Anteile abluchsen, die sie aber bei der letzten Wahl wieder einbüßte. Hierzu stellt Bovermann fest, dass die SPD dort in der Bringschuld sei: Wenn man mit der FDP und der CDU im Süden um bürgerliche Wähler konkurrieren wolle, so bräuchten diese auch ein gutes Angebot – und das auf Dauer.

Was die AfD betreffe, so sei da ein großes Wählerpotential der Menschen auch „auf der Suche“ – es finde sich ein harter Kern von Sympathisanten, aber auch eine große Reihe an Wählerinnen und Wählern, die von Wahl zu Wahl unterschiedlich abstimmen. Bürgerliche Wählerschichten sowie Leute aus Arbeiterkreisen fänden sich beide hier wieder, so Bovermann.

Was sagen die Daten zur Wahl in Hattingen?

Für Hattingen betonte Bovermann nachdrücklich, dass er gerade die Aufteilung der Briefwahlbezirke als problematisch betrachte. Diese seien zu großen Teilen sehr praktisch gebildet worden, über Quartiere in den Ortsteilen hinweg, die demografisch ganz anders aufgestellt seien. Insofern könne man die gesammelten Daten nur sehr schwer kontextuell auswerten, da Briefwähler auch nochmal anders abstimmen als Urnengänger.

Die zentrale Aussage zum Abschluss der Präsentation blieb dennoch klar:

Die SPD muss zu sich finden und sich ernsthaft besinnen, in welche Richtung sie sich entwickeln möchte – und auf wen ihre Politik in Zukunft ausgerichtet sein soll.